Zivilrecht
29.1.22

Kein wirksamer Haftungsausschluss ohne Ausnahme von Kardinalpflichtverletzungen

Einem interessanten, aber auch dramatischen Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden (Az. 2 U 28/21). Hierbei ging es um ein äußerst klausurrelevantes Problem, nämlich einen Haftungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Haftungsausschlüsse in Allgemeinen Geschäftsbedingungen spielen in Klausuren häufig eine Rolle, da sie sowohl aufgrund des § 309 Nr. 7 BGB als auch aufgrund diverser Rechtsprechungsentscheidungen – so beispielsweise in der hier relevanten Kardinalpflichtenrechtsprechung – ständig aktuelle Fälle produzieren.

Verkürzt stellte sich der Sachverhalt folgendermaßen dar:

Die Klägerin hatte ein Fahrzeug bei der Beklagten gemietet. Dieses Fahrzeug hatte bereits bei der Herstellung ein nicht ordnungsgemäß verbautes Lager im Kardangelenk der unteren Lenksäule des Fahrzeugs. Die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs war hierdurch nicht mehr gegeben. Die Beklagte wusste von dem Mangel nichts. Infolge dieses Mangels kam es dann zu einem schweren Unfall mit erheblichen gesundheitlichen Langzeitfolgen für die Klägerin. Diese verlangte nun Schadensersatz und Schmerzensgeld für die ihr entstandenen Schäden. Der Vermieter hatte in seinen AGB eine Klausel, nach der die verschuldensunabhängige Haftung ausgeschlossen war.

Die Entscheidung verdient erhöhte Aufmerksamkeit. Grundsätzlich lag hier die mietrechtliche Besonderheit der verschuldensunabhängigen Mangelhaftung aus § 536a Abs. 1 BGB vor. Danach kommt es gerade nicht auf ein Verschulden des Mangels durch den Vermieter an, wenn der Mangel bereits bei Übergabe der Mietsache vorlag. Genau diese verschuldensunabhängige Haftung war jedoch durch die AGB der Beklagten abbedungen. Das Gericht musste nun  klären, ob der Haftungsausschluss wirksam ist. Das OLG Frankfurt entschied daher, dass die Klausel aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 2. S. 2 BGB unwirksam sei. Dies hing das Gericht an der sog. Kardinalpflichtenrechtsprechung auf.

Kardinalpflichten sind wesentliche Pflichten eines Vertrages, um das festgelegte Vertragsziel – wie in diesem Fall die Fortbewegungsfähigkeit und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs – zu erreichen.

§ 309 Nr. 7 BGB sieht dabei bereits Einschränkungen – jeweils auch mit Anknüpfung an ein Verschulden des Verwenders – für Haftungsausschlüsse vor. In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass im Rahmen der verschuldensabhängigen Haftung ein Ausschluss der Haftung in Bezug auf solche Kardinalpflichten unwirksam ist, diese also jeweils vom Haftungsausschluss auszunehmen sind. Die Übertragung auf die verschuldensunabhängige Haftung erscheint durchaus gewagt. Auch die Kardinalpflichtenrechtsprechung entstand grundsätzlich aus einer Rechtsfortbildung zu § 307 Abs. 2. Nr. 2 BGB.  Ein Argument ist hierbei, dass bei Ausschluss der Haftung für wesentliche Vertragspflichten kein Anreiz mehr für eine vertragsgemäße Erfüllung besteht. Dieser Anreiz ist aber ohnehin bei der verschuldensunabhängigen Haftung nicht gegeben, da der Vermieter unabhängig seines Verschuldensgrades sowieso haftet. Demzufolge handelt es sich um eine durchaus kontroverse Entscheidung, die wohl über kurz oder lang den Weg zum BGH finden wird.

Was meint ihr, wird die Entscheidung des OLG Frankfurt vor dem BGH Bestand haben?

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